Die Restaurierung der Epitaphe kann beginnen. 

Text: Susanne Mittermeier, Fotos Franz Baumann

 

Den meisten Fußgängern, die in Traunstein an der Kirche St. Georg und Katharina vorbei eilen, entweder in Richtung Landratsamt oder umgekehrt mit Ziel Ludwigstraße, fallen die zahlreichen Grabplatten (Epitaphe) an der Außenmauer der Kirche gar nicht auf, was sicher auch an deren desolatem Zustand liegt. Denn ein fast bis zur Unkenntlichkeit verwittertes Stück Stein ist kaum dazu angetan, den Blick der Passanten zu erhaschen. Was jedoch kaum jemand weiß: Hinter den Relikten des ehemaligen Gottesackers steckt ein gutes Stück Traunsteiner Stadtgeschichte, das für immer zu verschwinden droht. 

Der Förderverein Alt-Traunstein, dessen Engagement unter anderem der Wiederaufbau des Jacklturms am Stadtplatz zu verdanken ist, will diese Epitaphe deshalb vor dem weiteren Verfall bewahren. "Die Tafeln sind nicht nur Erinnerungen an Bürger, die einst in der Stadt gelebt und gewirkt haben, sie sind auch Zeugnis wichtiger Ereignisse früherer Jahrhunderte", erklärt Kreisarchivpfleger Albert Rosenegger, der seit einigen Jahren zusammen mit Stadtarchivar Franz Haselbeck die Geschichten erforscht, die sich hinter den oft nur noch rudimentär lesbaren Namen und Daten auf den Platten verbergen.

Die älteste der aus Marmor oder Kalkstein gefertigten Epitaphe gehen zurück bis in jene Zeit, als Traunstein einen eigenen Friedhof bekam. Bis 1638 waren die Toten der Stadt nämlich auf dem Gottesacker in Haslach beerdigt worden, doch das Anwachsen der Bevölkerung sowie eine Pestepidemie hatte den damaligen Bürgermeister und seinen Rat veranlasst das Grundstück, auf dem heute die Kirche St. Georg und Katharina steht als Begräbnisstätte zu erwerben. Bis 1904 wurden die verstorbenen Traunsteiner dort beerdigt, wobei der heutige Laubengang an der Westseite als Gruftgrabstätten diente. Nachdem der jetzige Friedhof in Haidforst in Betrieb genommen worden war, wurden die Gräber auf dem alten Gottesacker eingeebnet und ein Teil der Epitaphe zum Andenken in die Außenwand der Kapelle eingelassen. Dort nagt nun der Zahn der Zeit an ihnen, wobei einige der Platten inzwischen so verwittert sind, dass ihre Beschriftung auch mit noch so viel Mühe nur bruchstückhaft zu entziffern ist. Wie viel Historie tatsächlich hinter so mancher Tafeln steckt, zeigen die Informationen, die Rosenegger und Haselbeck in mühevoller Kleinarbeit zur sogenannten Distl-Bernrainer-Platte erforscht haben.


Hanns Distl war der erste, der 1639 auf dem neuen Friedhof bestattet wurde.

Der rotmarmorne Epitaph erinnert an den ersten, im Jahr 1639 auf dem damals neuen Friedhof begrabenen Traunsteiner, sie wurde jedoch erst 1686, also fast 50 Jahre später in Auftrag gegeben. In dieser Zeitspanne, die 1639 mit dem Tod Hanns Distls, einem aus München nach Traunstein zugewanderten Fassbinder, und der Fertigstellung der Gedenktafel durch Georg Bernrainer liegt, spielte sich offenbar ein Familien- und Nachbarschaftsstreit ab, der damals sicher nicht nur für ordentlich Klatsch in der Bevölkerung sorgte, sondern auch das hiesige Gericht beschäftigte.  Im Mittelpunkt des Zwists standen dabei die zweite Ehefrau von Hanns Distl und deren Söhne, die sich mit der Tochter Distls aus erster Ehe Eva und deren Mann Georg Bernrainer um das Erbe des verstorbenen Fassbinders zankten und dabei alle Register zogen, die ein Streit zu bieten hat: Von direkten Beleidigungen über Handgreiflichkeiten und infamen Gerüchten, die sie in die Welt setzte, ließ vor allem die Witwe Distls nichts aus, um ihre Stieftochter zu diskreditieren. So kolportierte sie unter anderem, dass die Tochter ihres verstorbenen Mannes, nichts weiter als eine "Hur" sei, die sich in jungen Jahren ihren Lebensunterhalt mit Liebesdiensten verdient habe. Und Evas Halbbruder Adam, der die Werkstatt vom Vater übernommen hatte, beleidigte deren Mann Georg als "Fretter" und "Heitter" – worauf dann die Gescholtenen verbal zurückschossen – und so ging es munter hin und her, bis schließlich einer nach dem anderen der Beteiligten das Zeitliche segnete. Hanns Distl, mit dessen Tod der Zwist begonnen hatte, mag sich dabei so manches Mal in seinem Grab auf dem neuen Traunsteiner Friedhof umgedreht haben. Warum sein Schwiegersohn Georg Bernrainer, der mit dem Toten ein gutes Verhältnis hatte, erst 50 Jahre nach der Beerdigung den Epitaph in Auftrag gab, ist leider nicht überliefert; vielleicht wollte er aber nach den ewigen Streitereien, von denen sich die Traunsteiner übrigens noch Generationen später erzählten, einfach ein positives Zeichen setzen, damit der gute Ruf Hanns Distls nicht vollends vom Neid und Streit seiner Nachkommen zunichte gemacht wurde.  Doch das ist nur eine von zahlreichen Episoden aus der Traunsteiner Chronik, die noch darauf warten, aus dem Dunkel der Vergangenheit ans Licht geholt zu werden. Wenn die Epitaphe an der St. Georgs-und-Katharina-Kirche jedoch nicht bald fachgerecht vor dem weiteren Verfall bewahrt werden, sind sie – wie auch ein gut Stück Traunsteiner Stadtgeschichte für immer verloren.  

Zur Zeit wird ein Leistungsverzeichnis über die Steinsanierung erstellt. Nach Eingang der Angebote von Fachfirmen wird ein Überblick über die zu erwartenden Kosten vorliegen. Es ist dann noch zu klären welche Grabplatten wegen ihrer Bedeutung für die Traunsteiner Stadtgeschichte vollständig restauriert werden und bei welchen sich nur eine allgemeine Konservierung empfiehlt. Allerdings ist bei einigen Epitaphen die Schrift bereits vollständig verschwunden. Diese Grabplatten sollen aber trotzdem bestmöglichst stabilisiert werden um einer weiteren Verwitterung entgegen zu wirken. Die Restaurierung der Kirche St. Georg und Katharina ist für 2016 vorgesehen und soll im Jahr 2017 mit der Sanierung der Epitaphe abgeschlossen sein.

Erfreulicherweise ist beim Förderverein bereits eine erste zweckgebundene Spende eingetroffen. Die Kreissparkasse Traunstein-Trostberg stiftet einen nennenswerten Betrag für die Restaurierung der Epitaphe. Der Förderverein Alt-Traunstein e.V. wäre dankbar wenn sich weitere in Traunstein ansässige Firmen und Traunsteiner Bürger mit Geldspenden an dem Projekt beteiligen würden. Vorstellbar wären auch „Patenschaften“ für einzelne Epitaphe. Nähere Einzelheiten wird der Förderverein auf seiner website www.foerderverein-alt-traunstein.de veröffentlichen.

 

Bilder zu den Grabplatten (Epitaphe) an der KircheSankt Georg und Katharina im Stadtpark

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