Der Förderverein Alt-Traunstein e.V.

Eine Bürgerbewegung zur Wiedererrichtung des Jacklturms

von Gründungsmitglied Max Burghartswieser

Im Frühjahr 1983 ging es im Planungsausschuss des Traunsteiner Stadtrates eigentlich nur darum, mit der Sanierung von Rathaus, ehemaligem Landgericht und Salzmaieramt auch eine entsprechende Neugestaltung des Traunsteiner Stadtplatzes vorzubereiten. Historisches Bildmaterial wurde gesichtet und schnell stellte sich heraus, dass in vergangener Zeit – bis zum Stadtbrand im Jahr 1851  - die Lücke am Kniebos eigentlich durch den Jacklturm geschlossen war. Aber er war nun einmal abgebrannt – fertig aus!

Jacklturm heute

Die Traunsteiner hatten sich an dieses Loch am Stadtplatz gewöhnt und schnell hieß es, es sei viel zu viel Geld für eine Ergänzung der Stadtsilhouette aus ästhetischen Gründen erforderlich. Schnell war die Meinung gebildet, dass öffentliche Mittel für wichtigere Dinge aufzuwenden seien. Wenn man mit solchen Fragen konfrontiert wird, denkt man unwillkürlich  zurück an die eigene Kindheit, die Schulzeit und den Heimatkundeunterricht. In den frühen fünfziger Jahren lernten wir in der Schule von unserer Heimatstadt mit seiner Stadtmauer und den Türmen, was auch auf der Gedenktafel am Kniebos eingemeißelt war: „Hier stand das sogenannte untere Tor oder Salzburgertor mit dem Maut- oder Jacklturm, beide zerstört durch den Brand vom 26. April 1851. Die Zeit der Erbauung ist unbekannt. Heimatkunde und Geschichte haben mich damals eigentlich schon sehr interessiert, aber dass mich dieser Jacklturm gut 30 Jahre später noch so stark beschäftigen sollte, das konnte ich damals natürlich nicht ahnen.

Doch nun wieder zurück ins Jahr 1983. Sollte der Turm nun ein weiteres Mal sterben, diesmal nicht in den Flammen, sondern am fehlenden Interesse von Stadträten und Bürgern und damit in den Papierkörben der Behörden? Aber wie meistens im Leben gab es auch hier einen kleinen Funken Hoffnung – noch dazu, wo so maßgebende Leute wie Oberbürgermeister Rudolf Wamsler, Stadtbaumeister Rudolf Simhofer und Stadtrat Fritz Seehuber bemüht waren die Glut für den Wiederaufbau anzufachen und auch durch Gegenwind nicht zum Erlöschen bringen zu lassen. Man bemühte sich um weitere Mitstreiter und versuchte mehr Leute für diese Idee, den Jacklturm wieder zu errichten, zu begeistern.

Schon der Gedanke an den Bau des Jacklturm erzeugte viel Gegenwind.Gründungsvorstand

Was braucht man in unserem Land um etwas zu erreichen? Einen Verein. Ein Name musste gefunden werden, eine Satzung war zu erarbeiten und Mitglieder waren zu werben, die Bereitschaft zeigten in diesem neuen Verein auch Verantwortung zu übernehmen. Wir legten uns einen relativ langen, offiziellen Vereinsnamen zu, um für alle möglichen Aktivitäten in der Zukunft gerüstet zu sein. Wir nannten uns: „ Verein zur Förderung öffentlicher und gemeinnützig anerkannter Maßnahmen zur Wiedererrichtung, Erneuerung, Sanierung und Erhaltung historischer Bauwerke, Anlagen und Einrichtungen in der Stadt Traunstein (Förderverein Alt-Traunstein e. V.)“.

Im Volksmund waren wir sehr schnell nur der „Förderverein“ oder der „Jacklturmverein“, was wir gar nicht so gerne hörten, da unsere Vorstellungen für die ersten Jahre etwas weiter gefasst waren. Unser Satzungsentwurf wurde auf Herz und Nieren geprüft, damit sichergestellt war, dass wir zu den steuerfreien Körperschaften gehören. 

Alles war bestens vorbereitet und so haben Oberbürgermeister Wamsler, Fritz Seehuber und ich für den 19. September 1983 zur Gründungsversammlung in den Gasthof „Sternbräu“ eingeladen. 68 Damen und Herren haben sich dazu eingefunden – quer durch alle Bevölkerungsschichten. Mit 56 Gründungsmitgliedern nahm der Verein seine Arbeit auf. Ein Vorstand aus fünf Personen, sieben gewählte Beiräte und drei Beiräte, die Kraft ihres Amtes mit Sitz und Stimme mitarbeiten sollten. Es sind dies der jeweilige Oberbürgermeister, der Stadtbaumeister und der Stadtkämmerer, eine Konstellation die sich über all die Jahre hinweg sehr gut bewährt hat und viele zusätzliche Wege und Schreibereien ersparte.

Der Beirat 1983

Bereits 1984 begannen wir mit der Renovierung der Blitzkapelle an der Haslacher Straße, deren erste Erwähnung auf das Jahr 1562 fällt. Es war dies ein erster Test für uns, wie wohl unsere Vorstellungen bei der Traunsteiner Bevölkerung ankommen würden. Für uns auch ein Test dafür, wie wir all die anstehenden Probleme einer Renovierung mit den zuständigen Behörden lösen konnten. Anträge für Genehmigungen und Zuschüsse mussten rechtzeitig gestellt werden, das Mauerwerk war nach neuesten Methoden trockenzulegen, Farbuntersuchungen eines Kirchenmalers waren notwendig. Die Bevölkerung wurde zu Spenden aufgerufen und zu unserer Überraschung waren in kurzer Zeit rund 60 000 DM für diese Renovierungsarbeiten beisammen. Mit einer kirchlichen Feier und einem anschließenden Straßenfest der Handwerker, Anlieger und Bewohner des Altenheimes begingen wir die Fertigstellung dieses geschichtlichen Kleinodes.

Die erste Bewährungsprobe: Renovierung historischer Objekte

Wir hatten unsere erste Bewährungsprobe bestanden, haben uns durch all diese Arbeiten in Vorstand und Beirat besser kennen gelernt und dabei gespürt, dass wir uns aufeinander verlassen können. Dies war die Grundvoraussetzung für unsere weiteren Aktivitäten, die dazu beitragen sollten, für das Großprojekt Jacklturm eines Tages gewappnet zu sein.

Unsere Unterstützung galt auch dem Projekt der „Schrödlgassler“, die Patrona Bavariae am Reiter Eck neu erstehen zu lassen. 1984 wurde diese neu gefertigte Madonna in feierlicher Form auf ihren alten Platz zurückgebracht.

Mit der Renovierung der Nepomukkapelle am ehemaligen Triftrechen – die 1792 von den Salinenarbeitern errichtet wurde – begannen wir im Frühjahr 1985. Mauerwerk und Dach mussten erneuert werden, ebenso der Boden und die Inneneinrichtung, die Kapelle war einfach furchtbar heruntergekommen. Die Stadt hat dann auch das gesamte Umfeld neu gestaltet und mit einem zünftigen Straßenfest haben wir die Fertigstellung gefeiert. Wiederum konnten wir 53 000 DM bereitstellen, dazu noch den großen persönlichen Einsatz von Vorstand und Beirat.

Die Renovierung des Kreuzwegs nach Sparz machten wir uns 1986 zur Aufgabe. Die Stationen waren teils verfallen, der Weg durch den Wald war kaum begehbar, die Bilder nicht mehr zu erkennen. Diese Kostbarkeit in wunderbarer Landschaft – am 13. September 1896 eingeweiht – durfte einfach nicht verfallen. Steinmetze, Dachdecker und Schlosser sicherten und erneuerten die einzelnen Stationen. So wie einst Max Fürst die Stationsbilder des Kreuzweges auf Kupferplatten gemalt hatte, tat dies nun Ernst Rappel in ausgezeichneter Weise. Wer bezahlte das alles? Für alle 14 Stationen fanden wir Patenschaften – Privatpersonen, Firmen, Vereine. Wir konnten es kaum glauben, wie spontan die Traunsteiner Bürger dazu beitrugen, der kulturellen Vergangenheit ihrer Stadt eine Zukunft zu geben. Aber was wäre ein Denkmal ohne Leben?

Die Stadt hat den Weg neu hergerichtet und so beten nicht nur Einzelpersonen den Kreuzweg von Station zu Station, auch die Pfarrei St. Oswald geht diesen Weg betend in der Fastenzeit.

Eine größere Aktion: der Obelisk im Stadtpark wird renoviert.

Am 15. Oktober 1837 wurde der Obelisk im Traunsteiner Stadtpark  enthüllt. Er erinnert an die Opfer der Napoleonischen Kriege und zählt zu den ältesten Kriegerdenkmälern in Bayern. Zu Restaurierung wurde der Obelisk – der aus Gusseisenplatten besteht – in eine Spezialwerkstatt gebracht und am 27. Juni 1987 feierlich der Öffentlichkeit übergeben. Auch das Raupenhelmdenkmal im Stadtpark, das an die Gefallenen des deutsch-französischen Krieges 1870/71 erinnert, wurde vom Förderverein restauriert. Über 40.000 DM haben diese Arbeiten gekostet.

Wohl kaum einer der vielen Autofahrer, die täglich die Strecke unterhalb des Sparzer Berges entlangfahren, wird je den gotischen Peststein beachtet haben, der an die unglückseligen Jahre erinnert, als die Pest in Traunstein wütete. „Hier in diesem Anger ruhen beinahe alle Einwohner des Vorbergs und der Wiese, männlichen und weiblichen Geschlechts, nebst Kindern.“ So beginnt die Inschrift auf dem Peststein und erinnert uns an die Zeit vor gut 350 Jahren. Förderverein und Stadtgärtnerei haben das Umfeld dieses Gedenksteines neu gestaltet. Im Jahr 1991 wurde mit der Restaurierung der wertvollen Grabplatten im Haslacher Friedhof begonnen. Auch hier beteiligte sich der Förderverein und hat die Kosten für drei Marmorrepitaphe übernommen, die Traunsteiner Bürgergeschlechter des ausgehenden Mittelalters gewidmet sind.

Ein Volksfest im Traunsteiner Salinenviertel in der Au.

Einem Volksfest glich am 1. Mai 1991 die Inbetriebnahme des 1. Gusseisernen Brunnens im Traunsteiner Salinenviertel, der auf Betreiben des Fördervereins nach alten Vorlagen originalgetreu angefertigt und auf historischen Boden wieder aufgebaut wurde. Der 2. Brunnen wurde anlässlich des Auerfestes im Jahr 1992 übergeben. Es handelt sich hier um echte Bürgerbrunnen, den zehn Prozent der Gesamtkosten von über 100.000 DM übernahm die Stadt und die restlichen 90 Prozent wurden aus Spenden der Traunsteiner bestritten.

Für all diese Renovierungsmaßnahmen haben wir über 500.000 DM benötigt. Neben ganz beträchtlichen Spenden aus der Bevölkerung haben wir über viele Jahre hinweg die unterschiedlichsten Aktivitäten entwickelt um an Geld für unsere Bauvorhaben zu kommen. Natürlich wollten wir auch die Mittel beschaffen für die Realisierung unseres eigentlichen Ziels: die Wiedererrichtung des Jacklturms. Der Fleiß unserer Mitglieder steckte an und so gab es immer wieder neue Ideen. Begonnen hat alles mit der Prägung eines Turmguldens anlässlich einer Veranstaltung in der Aula der Berufsschule am 23. September 1983.

Turmgulden

DachziegelMit einem 600 Kilogramm schweren Fallhammer aus dem 15. Jahrhundert prägte Oberbürgermeister Wamsler persönlich die ersten Exemplare. Den Turmgulden gab es in Silber und Zinn, auf der einen Seite der Jacklturm, auf der anderen Seite das Stadtwappen. Der Reinerlös aus dem Verkauf erbrachte die ersten Tausender in unsere Vereinskasse. Bis über den letzten Platz hinaus besetzt war die Berufsschulaula bei einer Lesung mit dem Mundartdichter Prof. Helmut Zöpfl und auch der vom Pettinger Singkreis mitveranstaltete Abend unter dem Motto: „Boarisch gredt und gsunga“ brachte klingende Münze in die Kasse des Vereins, ebenso wie ein zünftiger Musikanten-Hoagart auf einem Chiemseeschiff. Die ergiebigste Einnahmequelle waren unsere Glückshafen auf dem Maxplatz und dann alle zwei Jahre auf der Traunsteiner Gewerbeschau, der Truna. Über 350.000 Lose verkauften viele fleißigen Helfer und auch so mancher Gegner des Jacklturm-Projekts kaufte sich ein Los, da schöne Preise winkten. Außerdem gab es viele nützliche Gespräche an diese Losständen und so mancher Besucher ging als Jacklturm-Fan wieder weg. Mit allen möglichen Sonderverlosungen zogen wir die Leute an unsere Stände, denn die Traunsteiner Firmen stellten uns Reisen, Waschmaschinen, Fernsehgeräte und Fahrräder als Preise zur Verfügung. Unsere Flohmärkte waren jeweils große Erfolge, sogar eigene Bücherflohmärkte veranstalteten wir und das Rathaus-Café am Blattlsonntag wurde zur festen Einrichtung. Viele, viele Kuchen wurden gebacken und verkauft. Wir handelten mit alten Schulbänken und Gasthausgeschirr und ein großer Renner waren die 200 ausrangierten „Groschengräber“ – alte Parkuhren, die die Stadt nicht mehr brauchte. Viele fleißigen Hände banden wunderschöne Blumensträuße, die am Maxplatz zu Gunsten des Jacklturm-Baus verkauft wurden.

TombolaIm Sommer 1994 gab es in der Klosterkirche eine sehenswerte Ausstellung zum Thema Restaurierung. Die Ausstellung gab in zwölf Stationen anhand von Texten, Bildern und Objekten Aufschluss über Aufgabenfelder, Zielsetzungen und Vorgehensweisen von Restaurateuren. Auch wir als Förderverein stellten einen Querschnitt über unsere Arbeit der ersten 10 Jahre vor. Neben all diesen Aktivitäten gab es natürlich unsere Mitgliederversammlungen und am 1. Mai jeweils die Besichtigung einer Kirche oder eines Museums in der näheren Umgebung. Unsere jährlichen Studienreisen führten uns nach Rom, Budapest, Paris, Dresden und Prag, Holland und Belgien, Florenz und in die Toskana, nach Köln und Bonn, nach Burgund und ins Elsaß. Unser Hauptaugenmerk legten wird dabei natürlich auf die historischen Stadtplätze und Türme. Unter anderem auf den schiefen Turm von Pisa.

Die Renovierungsarbeiten kosteten den Förderverein insgesamt 500.000 DM.

Gerade durch diese Reisen wuchs der Verein zusammen und fand immer neue Mitstreiter für den Jacklturm. So manches Versprechen für eine kostenlose Leistung beim Turmbau wurde an historischer Stätte gegeben.  Manchen Mitgliedern ging natürlich auch alles zu langsam: Jetzt plant ihr schon so lange, wann beginnt ihr endlich mit dem Bau? – Solche Fragen  waren häufig zu hören. Aber wir wussten, dass nur eine gewissenhafte und bis ins Letzte festgelegte Vorbereitung und Planung so ein nicht alltägliches Bauvorhaben sicher durch alle Genehmigungsverfahren der Behörden bringen würde.  Außerdem gab es ja im Vorfeld  schon Unterschriftensammlungen gegen die Wiedererrichtung des Turmes, in Leserbriefen wurde darauf hingewiesen, wie viele andere Dinge in Traunstein wichtig seien, die abenteuerlichsten Behauptungen wurden aufgestellt und selbst vor persönlichen Verläumdungen wurde nicht Halt gemacht. Gerade auch dieser Gegenwind hat uns ermutigt das schwierige Projekt erst recht zu realisieren und als Verein zusammenzuhalten.

TomlobaAber natürlich waren wir nicht untätig.. Am 28. April 1992 haben wir an die Stadt folgenden Brief geschrieben: „Die Vorstandschaft und der Beirat des Förderverein Alt-Traunstein wollen das eigentliche Vereinsziel, die Wiedererrichtung des 1851 abgebrannten Jacklturms, in den nächsten Jahren verwirklichen. Bevor wir nun die Unterlagen für das Baugenehmigungsverfahren einreichen, bitten wir um eine grundsätzliche Entscheidung der Stadt, ob dem Förderverein Alt-Traunstein die Überbauung der Straße am Kniebos genehmigt wird.“

Es folgte eine Zeit intensiver interner Beratungen und wir veranstalteten Informationsabende für die Stadträte und die neu gegründete Bürgerinitiative gegen den Bau des Jacklturmes. Wir ließen ein Modell anfertigen, das maßstabsgetreu den Jacklturm und die umliegenden Häuser und Straßen zeigte.

Der Widerstand gegen den Bau des Jacklturms war beträchtig.

Die Hauptargumente der Gegenbewegung waren: Die untere Stadt werde abgeschnitten; der Vereinszweck sollte anders ausgerichtet sein und die große Verschattung der Nachbaranwesen könne nicht in Kauf genommen werden. Wir hielten dagegen, dass die Durchfahrt nach wie vor erhalten bleibe und der Turm ein besonderes Verbindungszeichen darstelle. Mit Fritz Seehuber, Fritz Lackenbauer und mir waren es ausgerechnet drei Leute aus der unteren Stadt, die an vorderster Front für die Errichtung waren und keine Gefahr einer Abschneidung sahen. Unseren Vereinszweck zu ändern kam nicht in Frage. Vom ersten Tag an haben wir unsere Absicht klargemacht und unser Ziel war es, in den Genehmigungsverfahren die gleichen Rechte zu haben und wie jeder andere Bauherr, ob für Garage, Wohn- oder Geschäftshaus. Die Verschattung der Nachbaranwesen war der einzige Punkt, den wir auch kritisch sahen und der dann im Baugenehmigungsverfahren noch eine besondere Rolle spielen sollte.

Die Diskussionen in der Bevölkerung waren sehr lebhaft, gingen quer durch die Familien und die Stadtratsfraktionen. Der Ausgang der Abstimmungen in den Ausschüssen und im Stadtrat war selbst für Eingeweihte nicht genau vorherzusagen. Auch Oberbürgermeister Fritz Stahl führte viele Vermittlungsgespräche und nahm dabei viel Zündstoff aus der Debatte. Im März 1993 fanden die entscheidenden Abstimmungen statt. Planungs- und Bauausschuss stimmten mit jeweils 6 zu 2 Stimmen für die Überbauung, der Finanzausschuss lehnte dieses Ansinnen bei einer Stimmengleichheit von 4 zu 4 ab.

So kam alles auf die entscheidende Stadtratssitzung am 25. März 1993 an. Die Zuschauerränge waren übervoll und nach langer Debatte stimmten von den 21 stimmberechtigten  Stadtratsmitgliedern zwölf für unseren Antrag und neun dagegen. Wir konnten also damit weiterarbeiten und auf der am gleichen Abend stattfindenden Jahreshauptversammlung des Fördervereins einen ersten Teilerfolg vermelden.

Plan 1  Plan 2Plan 3Plan 4
Wie sollte der Turm aussehen?
Nach langen Diskussionen, bei denen sich auch das Landratsamt für Denkmalpflege aus München einschaltete, entschied man sich für eine Gestaltung, die am ehesten der Form entsprach, die der Jacklturm vor dem Stadtbrand im Jahre 1851 besaß.

Der ehemalige Stadtbaumeister Rudolf Simhofer wurde mit der weiteren Planung beauftragt und schon gingen die nächsten Debatten los. Wie sollte der Turm ausschauen, wo wie er vor seiner Zerstörung  war oder sollte man ihn modern gestalten? Es folgte eine Diskussion, die auf höchster Ebene geführt wurde. Am 27. Juli 1994 kam der Generalkonservator des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Prof. Dr. Michael Petzet, mit seinen engsten Mitarbeitern nach Traunstein und gemeinsam mit der Stadt und dem Förderverein wurde die endgültige Lösung gefunden.

Auch bei den Verantwortlichen des Denkmalamtes gingen die Meinungen auseinander. Schließlich wurde eine „frei erfundene“ Turmfigur abgelehnt. Als Vorbilder für eine Rekonstruktion kamen nur noch die letzte Ausformung vor dem Stadtbrand 1851 oder das nach dem Stadtbrand geplante neugotische Projekt in Frage. Grundsätzlich wurde es vom Landesamt für Denkmalpflege begrüßt, die alte Stadtsilhouette durch die Rekonstruktion des einst sehr signifikanten Jacklturms wiederherzustellen. Damit war ein wichtiger Schritt getan.

Wie sollte der wiedererrichtete Jacklturm aussehen?

Wir bekamen hinsichtlich der Gestaltung Planungssicherheit und entschieden uns für die Form des Jacklturms, die er vor dem Stadtbrand gehabt hatte. Dann wurde gezeichnet. Das Modell für die neue Turmform wurde ergänzt und wegen der Einzigartigkeit des Bauvorhabens wurde bei der Stadt die Aufstellung eines Bebauungsplanes beantragt.

Mit den Eigentümern des Nachbarhauses Kaiser wurden Gespräche geführt, um dort ein Anschlussgebäude errichten zu können. Hier sollten in den unteren Stockwerken die Nebenräume und ein Lift untergebracht werden, um im Turm mehr Platz zu gewinnen. Für das Nachbarhaus Wieser gab es das wohl größte Problem. Sechs Fenster müssen zugemauert werden und für das Einverständnis der Besitzer dieses Hauses hierzu sind wir zu größtem Dank verpflichtet. Ebenso der Familie Strohmayer am Kniebos 1. Die drei direkten Nachbarn haben die Baupläne unterschrieben und ohne deren Bereitschaft wäre das Turmprojekt wohl nicht durchführbar gewesen.

Am 12. Juni 1995 haben wir schließlich die Baupläne bei der Stadt eingereicht. An Unterschriften fehlten die der Wohnungs-, Büro- und Geschäftseigentümer des Kniebos 3. Speziell für diesen Personenkreis stellten wir unser Projekt mit neuesten Plänen und Modell noch einmal vor. Jene erwarteten beträchtlich negative Auswirkungen in vielfältigster Form. Da wir als Verein keine Abfindungen bezahlen können, wurde von der Eigentümergemeinschaft eine Münchner Anwaltskanzlei beauftragt, ihre Interessen im Baugenehmigungsverfahren zu vertreten. Wir wussten, dass gerade die Verschattung ein gewichtiges Argument war, und beauftragten deshalb eine Spezialfirma, ein Verschattungsgutachten zu erstellen. Dieses Gutachten zeigt zu verschiedenen Jahres- und Uhrzeiten die Verschattung der Fassaden, Dächer und Straßen an. Einmal mit und einmal ohne Turm. Erstaunliches kam dabei zu Tage. Die Verschattung ist zu bestimmten Jahreszeiten aufgrund der großen Stadtplatzhäuser schon so gewaltig, dass der Turm sie kaum verstärken würde. Ein zwar teures Gutachten, aber für das Baugenehmigungsverfahren von größter Bedeutung.

Baubeginn

Die örtliche Presse, Rundfunk und Fernsehen haben sehr ausführlich über die neuen Pläne berichtet und die Turmansichten fanden breite Zustimmung. Sehr wichtig war für uns auch die Stellungnahme des Landesamtes für Denkmalpflege zur neuen Planung: „Die Initiative des Förderverein Alt-Traunstein zum nunmehrigen Wiederaufbau des Jacklturmes entstand im Rahmen der städtischen Absichten, das Rathaus, das Alte Landgericht und das Salzmaieramt sowie den Stadtplatz denkmalgerecht zu gestalten und auch die städtebaulich sehr schmerzhafte Lücke wieder zu schließen. Diese Initiative verdient aus denkmalpflegerischer Sicht hohe Anerkennung; die formelle Zustimmung zur Erteilung der Baugenehmigung wird hiermit gegeben.“

Endlich — am 16. Oktober 1997 kam die Baugenehmigung.

Eine Vielzahl von Besprechungen und Detailplanungen folgte. Am 26. Juli 1997 trat der Bebauungsplan in Kraft und der Bauausschuss des Traunsteiner Stadtrates entschied am 16. Oktober 1997 einstimmig, das Bauvorhaben zur Wiedererrichtung unter bestimmten Auflagen zu genehmigen. Unsere jahrelange, gewissenhafte Vorbereitung hatte sich gelohnt. Am 19. Januar 1998 haben wir den Baugenehmigungsbescheid erhalten. Lange Zeit standen unsere Chancen 50 zu 50, doch als dann die Eigentümergemeinschaft vom Kniebos 3 darauf verzichtete, Widerspruch gegen den Baugenehmigungsbescheid der Stadt einzulegen, bleib uns ein Verwaltungsgerichtsverfahren erspart. So wurde dieser Bescheid am 27. Februar 1998 rechtskräftig – wir konnten beginnen.

Die Bauarbeiten bei der Stadtplatzneugestaltung kamen gut voran und wir begannen Ende April 1998 mit den Gründungsarbeiten. Rund sieben Meter tief wurden die vier Bohrpfähle mit einem Durchmesser von 90 cm in den Boden eingebracht. Eine schwierige Arbeit, da die Nachbarhäuser teilweise ohne Fundament waren und Meter für Meter mit Beton unterfangen werden mussten. Anfang Juli wurde auf diese Pfähle ein Fundament-Rahmenbalken gelegt und mit 23 Kubikmeter Stahlbeton ausgegossen. 3.800 Kilogramm Stahleinlagen geben die erforderliche Festigkeit, um den Turm später auf sicherem Fundament zu wissen.Stüberl

 Im Herbst wurde mit den Arbeiten am Nebengebäude begonnen und bereits im Januar 1999 wurden die Pfeiler für den Durchfahrtsbogen betoniert. Ein harter Winter mit starkem Frost und andauerndem Schneefall machte den Bauarbeitern zu schaffen. Trotzdem wurde der betonierte Durchfahrtsbogen schon Mitte Februar fertig. Das Wetter wurde besser und am 20. Mai konnte der Dachstuhl aufgestellt werden. Das Richtfest feierten wir am 18. Juni in der historischen Zieglerwirtsstube des Traunsteiner Heimathauses. Statt einer Richtkrone wurde die Wetterfahne mit der Jahreszahl 1999 auf den Glockenturm aufgesetzt.

Nur fünf Wochen später – pünktlich zum Stadtfest – konnte das Baugerüst auf der Stadtplatzseite entfernt werden. Rund 1,5 Millionen DM kostet der Turm ohne Inneneinrichtung. Bauherren sind der Förderverein Alt-Traunstein und die Firma Berger & Hösch GmbH, die für die Stockwerke 1-4 zuständig ist, während die Etagen 5 und 6 im Eigentum des Fördervereins verbleiben.

Die Stadtsilhouette, in der der Jacklturm fast 150 Jahre lang fehlte, ist nun wieder komplett.  Wir vom Förderverein freuen uns über das gelungene Bauwerk und nach 16 Jahren intensiver Arbeit sind wir stolz darauf, dass wir Traunsteins Vergangenheit eine Zukunft geben konnten. 

 

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